Gestern gab es einen Astbruch am Pflaumenbaum im Garten der FSM. Einfach so. Es war ein begrünter und scheinbar gesunder Ast, der plötzlich nur noch an einem Strang am Baum daniederhing. Kinder wie Erwachsene waren überrascht und erschrocken. Warum ist das passiert? Warum brach ein scheinbar gesunder Ast einfach so von einem unserer Bäume im Schulgarten?
Heute morgen in der Schulbesprechung griffen wir dieses Thema auf. Kinder wie Erwachsene machten sich gemeinsam Gedanken darüber. Vermutungen werden geäußert. Könnte es sein, dass der Baum einfach geschwächt ist, weil er zu wenig Wasser bekommen hat? Es hat lange nicht geregnet. Schon letztes und vorletztes Jahr war das so. Was passiert denn mit so einem Baum, wenn er zu wenig Wasser bekommt? Wie geht es uns, wenn wir an warmen Tagen zu wenig trinken? Rettungsideen werden entwickelt: wir könnten unsere Bäume gießen!
Haben wir genügend Wasser?
Hm, dafür bräuchte es große Mengen Wasser. Die Kinder berichten, dass es ja sowieso schon wenig Wasser gibt und wir sparsam sein sollten. Das Wasser wird für die Versorgung der Menschen und der Tiere gebraucht. Erwachsene erzählen, dass es in der Vergangenheit schon mal verboten war, Pools im Garten mit Wasser zu befüllen oder die Pflanzen zu wässern. Die Idee, die Bäume zu gießen muss wieder verworfen werden.
Ein Kind stellt die Frage, wieviel Flach- und wieviel Tiefwurzler unser Gelände denn hat? Welche Bäume haben denn die Chance, gut durch den Sommer zu kommen? Sind das eigentlich die Tiefwurzler? Oder doch eher die anderen, die schneller an das Regenwasser kommen? Wir wissen es nicht, planen aber, zu dieser Frage mal zu forschen. Welche Baumarten stehen denn überhaupt bei uns im Garten? Welche Art entwickelt welche Wurzeln?
Wie geht es weiter?
Ein Kind stellt die Frage, wie wir Erwachsenen denn in Zukunft mit der Situation umgehen werden. Wir Erwachsenen wissen es noch nicht. Auch für uns entstehen immer neue Situationen, mit denen wir uns auseinandersetzen und in denen wir neu lernen müssen. Wir Erwachsenen wissen es nicht.
Wir müssen etwas tun!
Die Schulbesprechung ist zuende und alle gehen in die Freiarbeit. Schon auf dem Weg in den Lernraum fragen mich einige Kinder aus dem ersten und zweiten Schuljahr, ob sie Schilder schreiben dürfen. Sie haben das deutliche Gefühl, dass man dies Gespräch nicht einfach so stehen lassen kann, sondern dass man was tun müsse! Es muss Aufmerksamkeit erregt werden. Menschen müssen aufgefordert werden, ihr Verhalten zu ändern und die Welt zu schützen!
Natürlich dürfen die Kinder Schilder schreiben. Wir besorgen große Pappen und Wachsmaler. Es beginnt eine intensive Phase, in der überlegt wird, welche Forderung auf dem Schild stehen soll. „Schützt das Klima“ entsteht auf einem Schild. Es wird überlegt, welche Buchstaben die richtigen sind. Wo sind die Wortlücken. Welche Buchstaben müssen als Groß- und welche als Kleinbuchstaben geschrieben werden – sonst ist das einigen Kindern noch nicht so wichtig, aber auf solch einem Schild ist der eigene Anspruch ein anderer. Der Text soll verstanden werden. Und er soll ernst genommen werden, also lohnt sich die Mühe über diese Dinge nachzudenken.
Ein anderes Kind überlegt: „Stoppt Autos„. Wilde Diskussionen entstehen: Es soll gar kein Auto mehr gefahren werden ? Das geht gar nicht….wie kommst du dann in die Schule….wie wollt ihr eure Einkäufe machen… wie komme ich dann ins Senckenbergmuseum…. Möchtest du täglich mit dem Fahrrad den Berg hoch fahren? Es dauert alles viel länger….alle sollten mehr Zug und Bus fahren….bei uns im Dorf geht das aber nicht….gut für die Umwelt wäre es schon…
Hui. Schwierig. Wir kommen zu dem Schluss, dass es sicherlich schon mal gut wäre, genauer zu überlegen, wann das Auto auch mal stehen bleiben kann und man eben zu Fuß geht oder das Fahrrad nimmt. Das könnte man auch dem Nachbarn mal sagen, der seine Brötchen immer mit dem Auto holt. Aber traut man sich, ihn darauf anzusprechen?
Ein Entwurf für das Schild entsteht: „Fahrt weniger Autos!!!!“
Interessant! Lasst uns noch mal hinschauen: An wen richtet sich diese Forderung und was genau möchte man denn? Die Kinder erkennen, dass hier viele Menschen gemeint sind und sich die Anzahl der Autos verringern soll. Eine gute Forderung, aber ist es genau das, was du fordern wolltest? Auch mit weniger Autos kann sehr viel gefahren werden. Hm, nein…. Nächster Versuch: „Fahrt weniger Auto!!!„. Ja. Das ist genau das, was gemeint war, so wird es aufgeschrieben. Was ein einziger Buchstabe doch für einen Unterschied machen kann.
Heute sind die Schilder noch nicht fertig geworden und die Kinder haben versucht, sie in ihren Fächern zu lagern. Es kommt mir fast so vor, als wäre das Herausgucken der großen Schilder aus den Schubladen ein Bild dafür, dass die Aufgabe der Rettung der Welt eben eine ziemlich große ist.
Ende Gelände?
An diesem Vormittag haben die Kinder sehr intensiv und engagiert gelernt. Als Erwachsene bin ich gleichzeitig betroffen und glücklich. Mit Kindern darüber sprechen zu müssen, dass sich die Lebensbedingungen auf diesem Planeten in Zukunft verschlechtern werden, finde ich nicht leicht. Es ist nicht möglich, einfach mal etwas aus der Tasche zu ziehen, das Schutz bietet oder Lösungsmöglichkeit sein kann. Die Kinder haben mich (mal wieder) sehr damit beeindruckt, wie sie selbst in Aktion gehen und ihre Energien einsetzen, um etwas zu verändern. Ich bin gespannt, was kommende Woche daraus entsteht.
Die SchülerInnen haben sich sehr intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. Ein aufregender Gefühlsmix aus Entsetzten, Aufruhr, Neugierde Wissensdrang, Protest, Wut und Freude.
In der darauf folgenden Woche haben wir erfahren, dass natürlich auch Tiere und Insekten von den sich veränderten Umwelteinflüssen betroffen sind. Wir haben uns im Garten hinter der FSM viele kleine Tiere genauer angeschaut und eine Inforunde veranstaltet. Viele Tiere sind zwar geschützt, aber wir haben einen Zusammenhang entdeckt, dass auch diese Tiere, wie auch der Pflaumenbaum mit dem abgebrochenem Ast, vom Klimawandel gefährdet sind.