Die Geschichte der Freien Schule Marburg ist eng verbunden mit fortwährender Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, um sowohl unsere Ideen alternativer Pädagogik materiell umsetzen zu können, als auch die ständig wachsende Nachfrage nach Schul- und Kindertagesstättenplätzen zu gewährleisten.
Schon bei der politischen Vereinbarung zur staatlichen Genehmigung der Freien Schulen in Hessen im Jahre 1985 spielte die Frage nach materiellen Unterstützung der neuen hessischen Schulversuche eine nicht unwesentliche Rolle, denn ohne eine ausreichende Unterstützung konnten die neuen Schulen, deren Träger keine finanzkräftigen Vereine waren und sind, den Erfolg der neuen Projekte nicht garantieren.
Zwar gab es von Seiten den Landes Hessen eine geringfügige finanzielle Zuwendung für Lehr- und Lernmaterialien als Starthilfe, jedoch blieb die erhoffte Unterstützung der Bezuschussung geeigneter Räumlichkeiten aus.
Der Verein Freie Schule Marburg e.V. wandte sich in dieser Situation an die Stadt Marburg und den Landkreis Marburg-Biedenkopf, die sich in Koalitionsvereinbarungen schriftlich verpflichtet hatten, die Freie Schule bei der Raumsuche zu unterstützen.
Durch persönliche Kontakte einiger Mitglieder des Vereins der Schule für Praktisch Bildbare wurden die Möglichkeit geschaffen, in diesem Gebäude mit der Freien Schule im Jahre 1986 zu beginnen. Da die Konzeption der Freien Schule eine Schulgröße mit ca. 80 Kindern vorsieht, war klar, daß diese Anzahl auf dem Gelände der Schule für Praktisch Bildbare nicht zu realisieren sein würde, und unbedingt zusätzliche Räume für neue Gruppen beschafft werden müßten oder noch besser ein großes Schulgebäude, das ausreichte, um die angestrebte Schulgröße zu realisieren.
Die Unterstützung bei der Raumsuche durch die Stadt Marburg stellte sich allerdings sehr schnell als Lippenbekenntnis dar. Auf die Nachfrage nach evtl. Schulräumen wurde nur ein vager Hinweis, der sich auf die Richtsberg-Gesamtschule bezog, gegeben. Ansonsten gab es von 1986 bis heute keine weiteren Vorschläge für mögliche Räume. Die Räumliche Enge und der Wunsch neue Kinder aufnehmen zu wollen, entwickelten einen ungeheuren Druck nach geeigneten Räumlichkeiten in eigener Regie suchen zu müssen, parallel hierzu stand die Bearbeitung pädagogischen und organisatorischen Neulands an, die Praxis einer Freien Schule.
Viel Energie, die wir sinnvoller in pädagogische Prozesse und Fragen investieren hätten, ging durch den mühsamen Prozess der Raumsuche verloren. Die Bemühungen waren jedoch zum Scheitern verurteilt, da anfangs finanzielle Zusagen der Stadt Marburg ausblieben. Später, nachdem die Zuschüsse endlich in Aussicht gestellt und der politische Wille dadurch zum Ausdruck kommen sollte, war es die städtische Verwaltung, die durch Hinausziehen des schulbaulichen Genehmigungsverfahren bis ins unendliche erfolglos werden ließ. Durch heftige Intervention der GRÜNEN gelang es eine Vereinbarung mit dem SPD-Magistrat zu treffen, die der Schule die Option eröffnete, durch kurzfristige Verfügung über die von Stadt und Kreis bereitgestellten Gelder von jeweils 400.000.-DM auf dem Immobilienmarkt konkurrenzfähig zu werden.
Doch gerade der Marburger Gebäude- und Grundstücksmarkt ist mit geeigneten bzw. finanziell erschwinglichen Angeboten äußerst dünn bestückt, so da? Die Haussuche mit erheblichen Problemen behaftet war und ist. Eine völlig neue Situation ergibt sich für die Freie Schule nach dem Bruch der rot-grünen Koalition in Marburg im Jahre 1991. Der SPD-Magistrat fühlt sich nun nicht mehr verpflichtet, die Freie Schule bei der Raumsuche zu unterstützen bzw. die in vorigen Jahren im Haushalt ausgewiesenen finanziellen Investitionszuschüsse zum Ankauf eines Gebäudes aufrechtzuerhalten.
Schlimmer noch, er kündigt der Freien Schule Marburg die eh‘ schon zu kleinen Räume in der Schule für Praktisch Bildbare (PBS). Hierdurch wird der Versuch unternommen, der Freien Schule die Existenz zu entziehen und die Stadt Marburg von (vielleicht lästigen) Kosten zu befreien.
Pädagogische und menschliche Probleme der derzeit 52 Kinder in der Ganztagsschule und Kindertagesstätte nimmt der Magistrat rücksichtslos in Kauf. In Marburg fehlen z.Zt. ca. 75 Kitaplätze – außer der Freien Schule gibt es noch das Landschulheim Steinmühle, das als Ganztagsschule eingerichtet ist.
1987 Hinweis durch das Schulamt:
Gesamtschule Richtsberg
lt. Schulleitg. kein Platz
Frühj./Sommer ’87 Eigene Suche:
Zeppelinstr.
(Übergangslösung) anderweitiger Verkauf bevor Finanzierung geklärt
ca. ab Aug. 87 Eigene Suche:
Steinmühle
(evt. freiw. Gebäude) hohe Miete, keine Zusage von Zuschüssen
87-88 Eigene Suche:
Friedenshütten (St. Elisabeth)
Vermietung an Land (Asylanten)
Frühj./Sommer ’88 Eigene Suche:
Petri-Gelände (Gisselberg) mit Recyclingz., Eltern-Kind-Verein
anderweitiger Verkauf bevor Finanzierung geklärt
Frühj./ Sommer 88 Eigene Suche:
Um- und Ausbau der PBS (beidseit. pädagogisches Interesse) keine Finanzierung durch Stadt oder Kirche, keine Übernahme d. Stadt
Ende 1988 Eigene Suche:
Marbacher Weg
anderweitiger Verkauf bevor Finanzierung geklärt
Ende 1988 bis Jan. ’89 Eigene Suche:
Ockershäuser Allee
anderweitiger Verkauf bevor Finanzierung geklärt
Ende 1989 Eigene Suche:
Marbacher Weg 11 und 13
Abblocken der Ämter
Ende 1989 Eigene Suche:
Liebigstr. 11
nach 3 Jahren zum 2. Mal, Eigentümer will nur fertig ausgebaut verkaufen
Herbst ’89 bis Frühj. ’90 Eigene Suche:
Um- und Ausbau der PBS (beidseit. pädagogisches Interesse). 2. Versuch durch Kauf oder Trägergesellschaft Sanierung und Ausbau zu ermöglichen, ohne Erfolg
Frühjahr ’90 bis Herbst ’90 Eigene Suche:
Emil-von-Behringstr. 15
langwierige Verhandlungen wegen Kauf, mehrfache Anläufe, da erst keine Bereitschaft zum Verkauf, schließlich anderweitiger Verkauf
Frühj./Sommer ’90 Eigene Suche:
Barfüßertor 7
Geeignet, geringe Auflagen, kurz vor Kauf liefert Stadt absurdes Gutachten aufgrund welchem Zuschüsse nicht gezahlt werden, anderweitiger Verkauf
Herbst 1990 Anfang 1991 Eigene Suche:
Lutherstr. 10
Vorstand der Burschenschaft will verkaufen, scheitert an deren Mitgliedervers. (Darlehnsvertrag mit der Stadt Marburg!)
Sommer 1991 Eigene Suche:
Alte Kasseler Str.
Unfinanzierbar, wegen überhöhter Forderung des Eigentümers
Januar 1992 bis ? Eigene Suche:
Richtsberg
Geeignet, Antrag auf Zahlung der Zuschüsse
Diese Aufzählung beinhaltet nur Gebäude, um die wir uns einen längeren Zeitraum bemüht, Kaufverhandlungen geführt haben und oftmals mit allen Ämtern (Gesundheits-, Bauamt, Brandschutz, Regierungspräsident usw.)) die Räume besichtigt haben. Darüber hinaus wurden sämtliche Makler mehrfach angeschrieben, ein großer Teil persönlich aufgesucht, Anzeigen in Zeitungen aufgegeben, die Öffentlichkeit durch Flugblätter und Aktionen aufmerksam gemacht und um Unterstützung gebeten.
Dietmar Göttling, 1992